FAMILIENWOHNUNG BEI EHESCHEIDUNG

 

Eine redaktionell leicht überarbeitete Fassung dieses Textes ist am Donnerstag, 16. Juni 2005, unter dem Titel 'Was gehört eigentlich wem?' in der 'Berner Zeitung BZ' erschienen (s. dort S. 35).

 

Die Familienwohnung kann eine Mietwohnung oder ein Eigenheim sein. Hier ist nur vom Eigenheim als Familienwohnung die Rede sein. Aber ob Mietwohnung oder Eigenheim, bei der Ehescheidung muss der Verbleib der Familienwohnung geregelt werden. Dabei sind rechtliche und wirtschaftliche Aspekte zu beachten. Auch wenn nachstehend einenteils auf die rechtlichen andernteils aber auch auf die wirtschaftlichen Aspekte eingegangen wird, ist zu beachten, dass diese letztlich nicht scharf von einander getrennt werden können.

Rechtliches

Welchem Ehegatten die Familienwohnung bei Scheidung zugewiesen wird, ist grundsätzlich unabhängig des Eigentums an derselben. Es ist also denkbar, dass ein im Alleineigentum eines Ehegatten stehendes Eigenheim dem anderen Ehegatten zugewiesen wird. Das ist insbesondere dann denkbar, wenn Kinder, die noch in Ausbildung stehen, beim Ehegatten verblieben, der nicht Eigentümer ist. Es ist allerdings zu beachten, dass zumindest von Rechts wegen die Zuweisung nicht zwangsweise mit einem Eigentumsübergang verbunden werden kann. Es wird ein Mietverhältnis oder ein Wohnrecht auf Zeit begründet.

 

Haben Ehegatten in den letzten Jahren ein Eigenheim erworben, haben sie das allerdings in den meisten Fällen gemeinsam getan, das zu Mit- oder zu Gesamteigentum; letzteres insbesondere als Einfache Gesellschaft. Auch hier ist gegen den Willen des aus der Familienwohnung verlassenden Ehegatten, die Zuweisung des Eigenheims an den anderen Ehegatten zu Alleineigentum kaum denkbar. Einvernehmlich wird diese Lösung allerdings oft angestrebt und das ist rechtlich auch ohne weiteres möglich. Der die Familienwohnung zu Alleineigentum übernehmende Ehegatte lässt sich ganz einfach im Rahmen der Ehescheidung den Mit- oder Gesamthandanteil des anderen Ehegatten übertragen. Dafür muss er natürlich eine Gegenleistung erbringen. Rechtlich sind verschiedene Formen der Gegenleistung denkbar (Verrechnung mit Ansprüchen aus Ehegüterrecht - Anrechnung auf Unterhaltsbeiträge - Entrichtung einer Entschädigung, also eigentlich Zahlung eines Kaufpreises).

Fortführung gemeinschaftlichen Eigentums

Auch geschiedene Ehegatten können ohne weiteres gemeinsam Eigentümer einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses sein. Das heisst, sie können während der Ehe begründetes gemeinschaftliches Eigentum, sei es Mit- oder Gesamteigentum, fortsetzen. Nicht fortgesetzt werden kann Gesamteigentum, das auf einer Gütergemeinschaft gründet. In solchen Fällen, die allerdings sehr selten sein dürften, müsste für das Gesamteigentum ein neuer Rechtsgrund begründet werden. Naheliegend wird die Gründung einer Einfachen Gesellschaft sein; aber es kann auch Miteigentum begründet werden.

 

Wird gemeinschaftliches Eigentum fortgeführt, werden im Rahmen der Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (sog. Konvention) allerdings Rechte und Pflichten der Beteiligten geregelt werden müssen. Solche Regelungen müssen in den meisten Fällen in erster Linie einmal früher unter Berücksichtigung einer Ehe getroffene Vereinbarungen aufheben. Solche Vereinbarungen finden sich sehr oft in den Kaufverträgen, mit denen das Eigenheim erworben wurde; z. B. Akkreszenzklauseln bei Einfachen Gesellschaften.

Wirtschaftliches

Auch in einem Eigenheim wohnt man nicht kostenlos. In den allermeisten Fällen ist das Eigenheim mit Hypotheken belastet und diese müssen verzinst werden. Nebst den Hypothekarzinsen müssen aber auch Versicherungsprämien bezahlt und die Liegenschaft muss unterhalten werden. Es fallen Reparaturen an, Wasser, Elektrizität und Heizung sind zu bezahlen und auch die Verzinsung des in der Liegenschaft angelegten Eigenkapitals sollte objektiverweise nicht ausser Acht gelassen werden. Spricht man über den Verbleib eines Eigenheims im Scheidungsfall, ist in erster Linie einmal eine sich an den Marktgegebenheiten orientierende Vollkostenrechnung zu machen.

 

Die vollen Kosten für das Eigenheim sind in die Berechnung des Unterhalts jenes Ehegatten einzubeziehen, der das Eigenheim weiter nutzen oder gar zu Alleineigentum übernehmen soll. Umgekehrt sind natürlich allenfalls dem anderen Ehegatten aus dem Eigenheim zufliessende Erträge ebenfalls vollumfänglich anzurechnen. Die Praxis zeigt leider im Nachhinein immer wieder, dass die Versuchung gross sein muss, es mit der Kostenwahrheit im Zusammenhang mit einem Eigenheim nicht allzu genau zu nehmen. So zeigt es sich dann unter Umständen Jahre nach einer Scheidung und der dazumal erfolgten Regelung des Verbleibs des Eigenheims, dass eigentlich nie genügend Mittel für den Unterhalt vorhanden waren. Man steht plötzlich vor der Tatsache, dass Unterhaltsarbeiten nicht mehr aufschiebbar sind, die Mittel dazu nicht vorhanden sind und nur noch der Verkauf der Liegenschaft bleibt. Ein Verkauf, beim dem unweigerlich Eigenkapital verloren geht; man hat jahrelange von der Substanz gezerrt.

 

Fast jede Ehescheidung hat zur Folge, dass aus praktisch unverändert bleibenden Einkommen neu zwei Haushalte finanziert werden müssen. Das schliesst die Fortführung des bisherigen Lebensstandards eben fast sicher aus und damit unter Umständen auch die Weiternutzung eines Eigenheims. Diese Tatsache mag, insbesondere wenn noch in Ausbildung stehende Kinder da sind, bitter sein. Die wirtschaftliche Realität kann aber zumindest längerfristig nicht ignoriert werden. Allzu grosser Ignoranz schiebt wenigstens der Umstand ein Riegel, dass die Mitwirkung des Hypothekargläubigers bei der Regelung des Verbleibs des Eigenheims im Scheidungsfall unumgänglich ist.

Eigentumsübertragung

Aendern sich im Zuge einer Ehescheidung die Eigentumsverhältnisse am Eigenheim der Familie, muss das im Grundbuch nachgetragen werden. Die Nachführung des Grundbuchs geschieht in diesem Fall nicht aufgrund einer durch einen Notar errichtenten Oeffentlichen Urkunde sondern aufgrund des Scheidungsurteils.

 

Dabei ist aber unbedingt zu beachten, dass es nicht genügt, die gewünschten Aenderungen in der Konvention festzuschreiben und diese durch das Gericht genehmigen zu lassen. Vielmehr müssen über die Scheidungskonvention hinaus dieser entsprechende Rechtsbegehren gestellt werden, aus denen unzweideutig hervorgeht, was das Gericht gegenüber dem Grundbuchamt anzuordnen hat. Solche Rechtsbegehren zu formulieren, dürfte die Möglichkeiten juristischer Laien meist übersteigen. Der Beizug eines auch in Fragen des Immobiliarsachenrechts gewandten Fürsprechers dürfte in solchen Fällen also fast unumgänglich sein. Zu beachten ist auch, dass es sehr oft nicht genügt, nur das Eigentum oder einen Eigentumsanteil an einer Wohnung oder einem Haus zu übertragen. Zu übertragen sind sehr oft auch Anteile an Einstellhallen, Spielplätzen u. ä., die zwar mit der Wohnung oder dem Haus faktisch eine Sachgesamtheit bilden, grundbuchlich aber von Wohnung oder Haus getrennt behandelt sind. Auch der Verbleib allenfalls nicht verpfändeter Schuldbriefe (Eigentümertitel) ist zu regeln.

 

Jede Aenderung an den Eigentumsverhältnissen an Liegenschaften hat auch steuerliche Folgen. Auch diese sind – vorgängig – zu klären und die Tragung aktueller oder eventueller, künftiger Steuerlasten ist in der Konvention zu regeln.

 

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Letzte Nachführung:

26.01.2024